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Ethnische Trennung im Unterricht?

Bis heute gibt es in einigen Regionen weiterhin eine Trennung nach Volksgruppen – bekannt als das „Two Schools Under One Roof“–System. Dabei besuchen Bosniaken und Kroaten die gleiche Schule, lernen aber getrennt – oft in unterschiedlichen Klassenräumen, mit verschiedenen Eingängen und teilweise unterschiedlichen Pausenzeiten.

Im Jahr 2018 existierten laut OSZE noch rund 56 solcher Schulen. Obwohl Schülerinnen und Schüler sowie internationale Organisationen seit Jahren Reformen fordern, blieb das System bisher weitgehend bestehen. 

Unterschiede im Land

In Bosnien und Herzegowina gibt es zwei autonome „Entitäten“. Dies ist wichtig, wenn du das Schulsystem in Bosnien-Herzegowina verstehen willst.

Was ist eine Entität?

Das ist ein schwieriges Wort und bedeutet so viel wie: ein eigenes Gebiet mit eigenen Regeln. Diese beiden Teile heißen:

  • die Föderation Bosnien und Herzegowina (wo viele Bosniaken und Kroaten leben)
  • die Republika Srpska (wo viele Serben wohnen)

Beide Teile dürfen selbst über vieles entscheiden, zum Beispiel über die Schulen, die Polizei oder die Gesetze in ihrer Region. Deshalb ist auch das Schulsystem in den beiden Teilen unterschiedlich aufgebaut.

Wer wird überhaupt getrennt – und warum?

Die ethnische Trennung im Schulsystem betrifft in erster Linie die Bosniaken (muslimisch geprägt) und die Kroaten (katholisch geprägt). Vor allem in der Föderation Bosnien-Herzegowina, also in einem der beiden großen Landesteile, gibt es viele Orte, in denen Kinder dieser beiden Gruppen zwar das gleiche Schulgebäude besuchen, aber getrennte Klassen, Lehrkräfte und Lehrpläne haben. Dieses Modell wird „Two Schools Under One Roof“ genannt – also „Zwei Schulen unter einem Dach“. Manchmal benutzen die Gruppen sogar unterschiedliche Eingänge oder Pausenhöfe, damit sie sich möglichst nicht begegnen.

Die serbischen Kinder, die zur dritten großen Volksgruppe gehören, leben meistens in der anderen Entität, also in der Republika Srpska. Dort gibt es keine getrennten Schulen, weil dort fast nur serbische Kinder zur Schule gehen. Kinder anderer Volksgruppen – also zum Beispiel Bosniaken oder Kroaten – dürfen dort zwar auch zur Schule gehen, aber der Unterricht folgt dann dem serbischen Lehrplan, und es wird Serbisch gesprochen. Viele dieser Kinder fühlen sich nicht gut vertreten und fordern mehr Unterricht in ihrer eigenen Sprache oder eigene Schulen. Eine echte Wahl haben sie oft nicht.

Das heißt: Auch wenn die Trennung in der Republika Srpska nicht so sichtbar ist wie in der Föderation, gibt es sie trotzdem – weil Kinder anderer Herkunft sich anpassen müssen und ihre Sprache oder Kultur oft nicht berücksichtigt wird. In beiden Teilen des Landes ist die Schule also für viele Kinder ein Ort, an dem sie spüren: Du gehörst nicht ganz dazu.

Das Schulsystem in Bosnien und Herzegowina

Viele Merkmale erinnern an das ehemalige jugoslawische Bildungssystem: Kinder können zunächst eine Krippe (bis ca. 3 Jahre) und anschließend den Kindergarten bis zum 6. Lebensjahr besuchen. Die Schulpflicht beginnt ab 6 Jahren.

Die anschließende Grundschule dauert acht Jahre (bis etwa 14 Jahre). Danach folgen weiterführende Bildungswege:

  • Gymnasien: vorbereitend auf das Studium
  • Berufsschulen oder Fachschulen: praxisorientiert
  • Abschluss mit Möglichkeit zum Studium entsprechend dem gewählten Weg.

Folgen der ethnischen Trennung

Das getrennte Schulsystem erschwert die Begegnung junger Menschen verschiedener Volksgruppen – was langfristig Vorurteile und Abgrenzung verstärken kann. Die OSCE Mission engagiert sich gegen Diskriminierung im Unterricht und unterstützt Reformen hin zu gemeinsamen Unterricht von allen Schülerinnen und Schülern in Bosnien-Herzegowina.

Auch Lehrpläne, besonders in Geschichte, Geographie oder Gesellschaftskunde, waren in manchen Regionen bis 2024 umstritten – etwa im Geschichtsunterricht der Republika Srpska, wo Kriegsverbrecher manchmal noch verherrlicht wurden. Der Verfassungsgerichtshof hob diese Inhalte 2025 auf.

Ein Hoffnungsschimmer: Integration in Mostar

In der Stadt Mostar wurde in der Gimnazija Mostar – dem Alten Gymnasium – ein teilweiser Integrationsversuch umgesetzt: Bosniaken und Kroaten besuchen die gleiche Schule, haben aber getrennte Lehrpläne, mischen sich jedoch bei Pausen und einigen Fächern.

Auch das United World College in Mostar fördert bewusst gemischte Bildung: Schülerinnen und Schüler aller ethnischen Hintergründe lernen und leben gemeinsam und folgen einem internationalen Lehrplan.

Kinder fragen - wir antworten!

  • Wer entscheidet über den Schulunterricht in Bosnien und Herzegowina?
    Die Föderation mit ihren Kantonen sowie die Republika Srpska haben jeweils eigene Zuständigkeiten – es gibt kein einheitliches System.
  • Was heißt „Two Schools Under One Roof“?
    Damit ist gemeint, dass Kinder verschiedener Volksgruppen zwar dieselbe Schule besuchen, aber getrennt und nach unterschiedlichen Lehrplänen unterrichtet werden.
  • Gibt es denn Schulen, wo alle zusammen lernen?
    Ja, zum Beispiel in Mostar mit der Gimnazija Mostar und dem UWC Mostar, wo Schüler und Schülerinnen verschiedener Herkunft gemeinsam lernen.
  • Können Kinder trotzdem studieren?
    Ja. Nach der Grundschule wählen sie je nach Interesse entweder eine akademische (Gymnasium) oder berufliche Richtung – ein Studium ist danach möglich.
  • Hat sich seit dem Krieg etwas verbessert?
    Einige Gerichtsurteile, Proteste und Projekte wie UWC in Mostar verbessern das System langsam. Doch viele Schulen sind weiterhin ethnisch getrennt.
letzte Aktualisierung am 30.07.2025